aus Partitur 'Vier Figuren'

Streichquartett Nr. 4 (2003)

Zwischen meinem dritten und vierten Streichquartett liegt ein ganzes Jahrzehnt. In beiden geht es u.a. um das grundlegende Problem der Gestaltung von musikalischer Zeit – auch musikalischem Raum –, und beide finden zu ganz unterschiedlichen Lösungen, was die Relation zwischen dem musikalischen Ereignis und seinem Erscheinen in der Zeit betrifft.

Im dritten Quartett interessierte mich vor allem die Frage, wie ein Ereignisraum gestaltet werden kann, der den linearen Verlauf der physikalischen Zeit in Frage stellt. Durch die Konzentration auf den musikalischen Augenblick wurde hier der Raum in eine Reihe von scheinbar isolierten Ereignissen zerschnitten.

Im vierten Quartett wird der musikalische Raum eher expansiv ausgemessen, indem die musikalischen Ereignisse einer kontinuierlichen Wandlung unterworfen werden. Es entsteht ein Klangprozess mit dramatischem Charakter, der aber mit seinen wechselnden Strömungsrichtungen und -geschwindigkeiten, seinen Brüchen und Sogwirkungen keineswegs linear verläuft. Der Anfang ist sozusagen exterritorial. Aus dem vielschichtigen Geräuschfeld des Beginns findet der Klang erst nach und nach zu sich, und auf ähnliche Weise sucht er in der Viertelton-Verdichtung der Schlusspartie wieder den Weg nach draußen.

Bettina Skrzypczak

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